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Laurenz Möseler

Vinos en Voz Baja, Rioja Oriental

Carlos Mazo & Isabel Ruiz



Rioja Oriental

Die Rioja braucht wenig Vorstellung. Das 60.000 Hektar weite Weinbaugebiet entlang des Rio Ebro ist längst etabliert als Heimat Spaniens größter Rot - und auch Weißweine. Weniger berühmt ist die Subregion der Rioja Oriental. Darum nun erstmal eine Aufklärung.


Eingekesselt von Gebirgsketten findet man in der Rioja verschiedenste Klimata - atlantisch bis mediterran. Auf über 120 Kilometern entlang des Ebro Flusses findet man ausserdem große Unterschiede im Mikroklima, beeinflusst von Zuflüssen, Gebirgen und Tälern. Stichwort Terroir.


Die Rioja hat ihren Namen vom Rio Oja, der am westlichen Ende des Weinbaugebiets in den Ebro mündet. Hier ist man in der Rioja Alta, also oberen Rioja, der wohl berühmtesten der drei Subregionen der Rioja. Hochgelegene, flussnahe Lagen mit maritimem Einfluss sind hier ausschlaggebend. 21.000 Hektar. Nördlich schlängelt sich die Rioja Alavesa heran, der Rising Star mit Höhenlagen mit kühlerem Mikroklima. 12.000 Hektar. Südwestlich angrenzend an die beiden Gebiete finden wir schließlich die Rioja Oriental. 25.000 Hektar. Diese war bis 2018 als Rioja Baja bekannt, also niedrige Rioja - weil am südlichen Ende der Region. Außerdem liegen hier die niedrigsten Weinberge der Region, aber auch die höchsten, auf bis zu 900 Metern! Dennoch. Mediterranes Klima, niedrige Weinberge, heiß, trocken. So bisher der Konsensus dieses der Massenproduktion verdammten Weinbaugebiets. Die dürresistente, fruchtige Garnacha-Traube mit ihrem milden Tanningerüst und sanfter Säure gedeiht hier nämlich ideal. Diese Charakteristika machen Garnacha zu einem attraktiven Verschnittspartner für westliche Rioja-Häuser mit Fokus auf Tempranillo. Eine kräftige, strukurierte Traube, die manchmal einen kleinen Ausgleich und Trinkfluss-Bonus ganz gut gebrauchen kann. So hat sich im Rioja Oriental eine Kultur des Traubenverkaufs etabliert.


Der Ruf des Rioja-Weins beruht historisch auf seinem Ausbau-orientierten Klassifikationssystem, von zugänglichen Crianza bis zu monumentalen Gran Reservas, oft wohlüberlegte Verschnitte aus den verschiedensten Ecken der Rioja. Seit 2017 gibt’s jetzt auch ein gebietsbezogenes Klassifizierungssystem. Heißt: Vinos de Zona, Vinos de Municipio, Vinedos Singulares. Ein revolutionärer Wandel, soviel ist klar! Für die Winzer:innen der Rioja ein wichtiger Schritt; in der Unterstützung ihrer kreativen Freiheit und im Sinne der Wertschätzung von Heimatsort und Herzenslagen.


Ein solcher, faszinierender Ort ist Aldeanuevo de Ebro. Eine nach außen unscheinbare, zeitlose Gemeinde im Bezirk Alfaro, im südöstlichen Zipfel der Rioja Oriental. Ebenso unscheinbar zeigt sich das Top Weingut “Vinos en Voz Baja” (Weine mit leiser Stimme) von Carlos Mazo und Isabel Ruiz. Backstory: Carlos’ Vater arbeitete sein ganzes Leben bei Rioja Alta Legende Campo Viejo in Logroño, 45 Minuten flussaufwärts. Seine freien Tagen verbrachte er in den eigenen Weingärten, hier in Aldeanuevo. Allerdings damals noch rein für den Traubenverkauf, wie es üblich war. Seit 2012 hat Carlos die Zügel in der Hand und eine Vision im Kopf: Was als Garagenweingut mit minimaler Produktion startete ist heute immerhin eine Mini-Kellerei mitten in der Stadt. Auf 6 Hektar über 10 Parzellen unterstützt ihn seine Partnerin Isabel Ruiz, deren Familie die alten Buschreben für den Ortswein “Barrio Pastores” auspflanzte. Seit letztem Jahr übrigens alles mit Bio-Zertifikat.


Das junge Duo hat unter Rioja-Ultras und Terroir-Nerds in Rekordzeit Rising-Star-Status erreicht. Tim Atkin MW kürt Carlos 2023 zum “Young winemaker of the year”. Die beiden bleiben währenddessen völlig bodenständig. Im handwerksintensiven Weinkeller hilft nur eine Korbpresse, mehr möchte man auch nicht eingreifen, um den Herkunftscharakter der winzigen, über Nachbarsorte verstreuten Rebanlagen so dermaßen puristisch und selbstsicher zu präsentieren, wie es sich hierzulande nur wenige trauen. Erwähnenswert an dieser Stelle ist Carlos’ große Inspiration, Spitzenwinzer und Pionier Nordspaniens vom Bierzo bis Priorat, Alvaro Palacios, dessen Familienweingut im Nachbarort liegt. Neben ihren aufstrebenden Persönlichkeiten teilen sich die Kollegen auch ihre Liebe für die hier nicht wegzudenkende Garnacha-Traube.



Die Weine: von Vinos de Zona bis zur Parzellenabfüllung.


Costumbres Blanco

Carlos und Isabel nennen ihre Regionsweine “Costumbres” (Sitte, Brauchtum). Hier finden wir Lagenverschnitte gemischter Sätze, und allgemein frühere Trinkbarkeit, mit allem was dazugehört. Frische, Zug, Frucht. Wir schreiben hier im Plural, weil es Costumbres sowohl in Rot, als auch in Weiß gibt. Der einzige Weiße des Hauses mit nur zirka 2000 Flaschen!


Bei dem Costumbres Blanco handelt es sich um einen autochthonen Verschnitt kleiner Parzellen entlang der südlichen Ecke des Rioja Oriental (nochmal südöstlich von Aldeanuevo, um Alfaro und Rincón de Soto). Carlos’ und Isabel’s Parzellen in Planas Altas, Salobral, Cantarral und Retrespesa sind durchwachsen von über 50 jährigen Viura, Calagraño, Garnacha Roya und Tempranillo Blanco Reben. Sandig, lehmig, Schluff. Die recht kleine Ausbeute hiervon wird gemeinsam verarbeitet, mit dem Fuß gestampft und in offenen Fässern, ungerebelt, ohne Eingriffe vergoren. Zur Vollendung der Gärung wird der reine Most in ältere Barriques umgefüllt, nach 8 Monaten unfiltriert und schwefelarm abgefüllt. 12.5%, zeigt sich mit raffinerter Struktur und solidem Körper, leisem Holzeinsatz, cremig, fein poliert, florale Anklänge, aber null kitschig, verspielte tropische Frucht (Ananas, Grapefruit). Ein Allrounder. Passt hervorragend zu intensiven Fischgerichten, Grillgemüse, hellem Fleisch oder einfach gegen den Durst.


Costumbres Tinto

Das rote Aushängeschild des Weinguts spiegelt das Konzept des weißen Counterparts wider, ist jedoch, wie alle Roten des Weinguts, von Garnacha dominiert. Kleine Mengen Tempranillo, Calagraño und Tinto Velasco wachsen mit und werden mitverschnitten. Spontane Ganztraubengärung, 10-monatiger Ausbau in einem Mix aus Holz, Zement und Glass, was die Struktur, vor allem in Frische und Fruchtigkeit des Weins noch unterstreicht. Diese alten Rebanlagen sind übrigens reine Buschreben auf kargen, kalkdurchzogenen Böden - sie wurden also ohne Gerüst gepflanzt und bleiben so bodennah. Die dadurch resultierende Laubfläche sorgt für idealen Sonnenschutz und Wasserpräservierung. Tatsächlich eignet sich der Costumbres Tinto leicht gekühlt auch als idealer Frühlings- und Sommerwein, super saftig, hell, feinwürzig, pfeffrig, salzig, ein Grillwein (!), der eher mit Säure als mit Gerbstoff arbeitet. Wein für den Strand, nicht nur für Weihnachten, sagt Carlos. Ein Hoch auf Glou Glou!


Barrio Pastores

Das “Hirtenviertel” ist eine reine Garnacha-Abfüllung aus den flussnahen, lehm- und kalkdominierten Nachbarslagen Mazaterón und Montote (, ca 400m, < 1 ha) in Aldeanuevo. Heimspiel also. 35-jährige Buschreben. Gärung wieder mit Stielen in offenem Holz, Ausbau 11 Monate in großen Eichenfudern. Ein rustikaler, glasklarer Ausdruck der Ortschaft, mit charmantem Tannin, beeriger Frische und mediterraner Würze, durchaus noch Reifepotenzial, aber mit etwas Belüftung ist das schon echt viel Wein.


Nace La Sierra

Vino de Parcela. Diese Lage liegt am Fuß der Sierra de los Agudos in Yasa de las Cuevas, Calahorra. Daher der Name (“Beginn der Bergkette”)! - der den bisherigen “Erusivo” ablöst. Ein halber Hektar Grenache im Mischsatz mit Tinto Velasco , Viura und Calagraño. Stockkultur, eine Wahnsinnsarbeit, aber Carlos kümmert sich gerne um jede einzelne Rebe seines Topweines. Die Spontangärung passiert hier rein im Beton, nach zirka 10 Tagen wird in 1.000 Liter neue Eichenfuder abgefüllt. Das Ganze kommt in seiner jugendlichen Frische richtig verspielt daher, 2022 zeigt jetzt schon Eleganz und Finesse, unterliegende Würze, Garrigue, wunderschöne Dichte - ein Lagen-Rioja, der nicht auf die nächste Generation warten muss, um zu rocken!



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